Einmal Einschlafen bitte: Was bewirkt Melatonin?

Inzwischen herrscht ein regelrechter Hype um das Hormon Melatonin. Doch was bewirkt es eigentlich, wie nimmt man es ein und bringt es Nebenwirkungen mit sich? Weit verbreitet ist die Annahme, dass Melatonin die Einschlafzeit verkürzt. Doch stimmt das wirklich? Nur bedingt, wissen Expert:innen, denn es funktioniert nur teilweise und einige Menschen sollten die Einnahme gänzlich unterlassen.1

Melatonin im Überblick: Wie wirkt es, wie nimmt man es ein und wie dosiert man es?

Melatonin gilt als natürliches Schlafhormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. Es bewirkt in der Regel, dass wir müde werden und ist inzwischen weit verbreitet in unserer Gesellschaft und in geringen Dosen nahezu in jeder Drogerie frei verkäuflich. Es wird häufig als die Lösung gegen Schlafstörungen angepriesen.1

Unsere Augen steuern unter anderem die Melatonin-Produktion, die auf Basis des Tageslichts erfolgt. Melatonin wird in der Zirbeldrüse im Zwischenhirn und aus dem Glückshormon Serotonin gebildet.2 Bei einbrechender Dunkelheit produziert der Körper vermehrt Melatonin, am Tag wird die Produktion hingegen weitestgehend heruntergefahren und stattdessen die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol angeregt, das dafür sorgt, dass man am Tag wach bleibt. Damit ist Melatonin unabdingbar für den zirkadianen Rhythmus, den sogenannten Schlaf-Wach-Rhythmus, der Teil der inneren Uhr ist, und sich aus dem Zusammenspiel von Cortisol und Melatonin ergibt. Der zirkadiane Rhythmus ist durch Licht, die Wahl der Lebensmittel, Bewegung und Temperatur beeinflussbar.3

Die Qual der Wahl: Kapseln, Sprays oder Tees?

Die Auswahl an Präparaten, die Melatonin enthalten, ist enorm: Ob als Spray, Gummibärchen, Tablette oder als Tee – häufig wird mit dem Slogan „natürliche Einschlafhilfe“ geworben. Das Schlafhormon gelangt je nach Produkt über den Darm oder die Schleimhäute – im Fall von Sprays – in die Blutbahn. Unterstützen diese Produkte tatsächlich den Einschlafprozess oder sind sie gar gesundheitsgefährdend? Schlafforscher:innen wissen – die zusätzliche Einnahme des Schlafhormons ergibt nur dann Sinn, wenn der Körper zu wenig des Hormons produziert. In den meisten Fällen liegt die Ursache allerdings woanders: Häufig gibt es zu viele Stressfaktoren, die den Schlaf rauben. In einigen Fällen stellt sich dennoch ein Placebo-Effekt ein.1

Welche Nebenwirkungen kann Melatonin auslösen?

Das Schlafhormon ist zwar leicht zugänglich und seit 2008 als Wirkstoff in Medikamenten in Deutschland erlaubt4, Expert:innen warnen dennoch, dass es sich um ein wirkungsstarkes Hormon handelt, und auch zu Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Benommenheit, Bluthochdruck und langfristig auch zu Alpträumen, Nervosität und Reizbarkeit führen kann. Gleichzeitige Einnahme verschreibungspflichtiger Schlafmittel und Psychopharmaka wie Antidepressiva verstärken die Wirkung zusätzlich und können Wechselwirkungen hervorrufen.

Zwar ist die Wahrscheinlichkeit einer Überdosierung gering, dennoch können Leber und Nieren durch eine Langzeiteinnahme Schäden tragen. Zudem ist der Zeitpunkt der Einnahme wichtig: Wird das Hormon zu spät eingenommen, kann die Müdigkeit bis in den nächsten Tag hineinreichen und den Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderwirbeln.5

Was gilt es bei der Einnahme von Melatonin zu beachten?

Expert:innen empfehlen das Schlafhormon ungefähr ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen und nach der letzten Mahlzeit einzunehmen, da die Melatonin-Produktion ohnehin ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen vom Gehirn erhöht wird und die Produktion somit unterstützt werden kann. Als Dosierung werden maximal 1 bis 2 mg täglich empfohlen – eine Erhöhung auf 5 mg bei ausbleibender Wirkung ist möglich, jedoch ist dies das täglich empfohlene Maximum. Generell sind Sprays etwas schwächer dosiert als Tabletten.6

Wundermittel oder Placebo-Effekt?

Fest steht, dass die Einnahme von Melatonin die Schlafqualität mancher Personengruppen verbessern kann – Senior:innen produzieren beispielsweise mit steigendem Alter weniger Melatonin und leiden eher unter Schlafstörungen. Bei diesen Personen übt Melatonin eine schlaffördernde Wirkung aus. Auch bei Schichtarbeiter:innen oder Menschen, die unter Jetlag oder unter dem Delayed-Sleep-Phase-Syndrom – eine Schlafstörung basierend auf verzögerten Schlafphasen – leiden, kann die Einnahme von Melatonin helfen.1

Darüber hinaus ist die Langzeitwirkung einer zusätzlichen Melatonin-Einnahme zu wenig erforscht, sodass man mit Vorsicht und bestenfalls nach Rücksprache mit einem/einer Ärzt:in auf die beworbenen „Zaubermittelchen“ zurückgreifen sollte.  

In diesem Sinne: Schlaf gut!